Der Huf ist zu kurz, das Pferd kann nicht Barhuf laufen!

gut entwickelter, natürlich kurzer Huf

Speziell Hufschmiede sorgen mit dieser Aussage immer wieder für Verwirrung und Verunsicherung bei den Pferdebesitzern. Oftmals wird so der Hufbeschlag gerechtfertig, ohne dabei näher auf den äußeren Zustand, oder gar die inneren Strukturen einzugehen.

Doch ist "zu kurz“ auch tatsächlich zu kurz?

Die Hufkapsel (Hornschuh) spiegelt die Lebensumstände des Pferdes wieder. Die Form des Hufes, speziell die inneren Strukturen entwickeln sich vom ersten Tag nach der Geburt und passen sich den Umweltgegebenheiten an. Neben der Herausbildung des Strahlkissens und der seitlichen Hufknorpel spielt die Position des Hufbeins in der Hufkapsel eine zentrale Rolle bei der Beurteilung, ob ein Huf zu kurz ist und folglich ein schmerzfreies Laufen gewährleistet. Die Strukturen des Hufes sind geschaffen, um harmonisch zusammenzuarbeiten. Dabei übernimmt jeder Teil des Hufes seinen, von der Natur vorgesehene Aufgabe. Dieses „Zusammenwirken“ der äußeren Strukturen ermöglicht die hohe Position des Hufbeins in der Hufkapsel. Hufbeinoberkante (Strecksehnenansatzstelle [Processus Extensorius]) und Zehenwandoberkante [Kronrand] sollen sich annähernd auf einer Höhe befinden. Dies gewährleistet den optimalen Bewegungsradius im Hufgelenk und ermöglicht, dass das Pferd einen natürlich kurzen Huf mit entsprechender Sohlenwölbung haben kann, während seine Sohle die inneren Strukturen bestens schützt.


Sagittalschnitt - Wildpferdehuf

Sagittalschnitt durch einen Wildpferdehuf. Das Hufbein sitzt hoch in der Hufkapsel. Hufbeinoberkante (Processus Extensorius) und Zehenwandoberkante befinden sich annähernd auf einer Höhe (rote Linie). Gesichert wird diese Position durch eine enge, feste Verbindung der Hufwandanbindung (Wandlederhaut).


Sagittalschnitt - Fohlenhuf

Sagittalschnitt durch einen Fohlenhuf. Das Hufbein sitzt von Geburt an sehr hoch in der Hufkapsel. Es ist sogar leicht über der Zehenwand-oberkante positioniert (grüne Linie). Ernährungsfehler, Bewegungsmangel, falsche oder vernachlässigte Hufbearbeitung und Hufbeschlag können die Hufbeinanbindung schädigen und für ein absinken des Hufbeins verantwortlich sein.


Sagittalschnitt - Hauspferdehuf

Sagittalschnitt durch einen Hauspferdehuf. Die enge, feste Verbindung von Hufbein und Hufwand hat sich im laufe der Zeit gelockert (überdehnt). Das Hufbein hat seine physiologische Position (grüne Linie) verlassen und ist in die Hornkapsel gesunken (rote Linie).



Damit jedoch das Hufbein langfristig stabil und hoch in der Hufkapsel verankert bleibt, benötigt es die Unterstützung der Sohle.

Hufbeschlag ist, wie immer, so auch in diesem Fall kontraproduktiv!

Angenommen, die Hufeisen bögen am Tag des Beschlags eine „perfekte Unterstützung“ für die Sohle, so ist diese innerhalb der nächsten Tage, wegen des kontinuierlichen Hornwachstums, nicht mehr gegeben. Da das Wandhorn etwa drei mal so schnell wie das Sohlenhorn wächst, geht die Unterstützung für die Sohle sukzessive verloren. Der Huf wird immer länger. Infolge der jetzt fehlenden, sohlenseitigen Unterstützung und der daraus resultierenden Lamellenüberlastung sinkt das Hufbein ungehindert immer tiefer in die Hornkapsel.
Meist bleibt diese „schleichende“ Hufbeinsenkung unbemerkt. Selbst wenn diese Symptomaktik von berufener Seite her erkannt wird, schweigt man diese oftmals tot oder ignoriert sie einfach gänzlich. Findet die Hufbeinsenkung doch Erwähnung, dann meist nur im Zusammenhang mit Hufrehe. Doch leider sieht man es viel zu oft, dass bei scheinbar „gesunden, beschlagenen Hauspferden“ das Hufbein, sprichwörtlich mit dem ganze Pferd durch die Hufkapsel abwärts wandert.