Paddock Trail,
ein Erfahrungsbericht:

Mit freundlicher genehmigung von
N. Vorwerk, www.hofrabeney.de

Im Dezember 2011 haben wir den Pensionsstall „Hof Rabenley“ mit konventioneller Boxenhaltung übernommen. Die Boxen waren mit 3 x 3,5 Meter nicht sonderlich groß, dafür aber größtenteils unvergittert. Die Pferde hatten so die Möglichkeit, über die Boxentrennwände hinweg Kontakt zum Nachbarn zu unterhalten. Die Stallgasse war hell und freundlich – insgesamt eine schon recht moderne und positive Variante der Boxenhaltung.
Draußen befanden sich vier Sandpaddocks mit einer Gesamtgröße von ca. 3000 qm – befestigt mit Paddockplatten, drainagiert und mit Sand als Tretschicht. So war ein trockener und matschfreier Winterauslauf gewährleistet. Auf den Sandpaddocks standen Heuraufen, die 2-mal täglich gefüllt wurden, zur Verfügung. Die Zeit, in der die Pferde draußen waren, sah man sie ununterbrochen an der Heuraufe stehen und fressen. Hin und wieder bewegt sich mal ein Pferd von der Raufe weg – zum Äppeln in eine bestimmte Ecke. Ansonsten: stehen … Egal wie groß der Paddockbereich war, die Pferde standen. Selten kam mal ein Trab zustande, geschweige denn ein Galopp. Ab und an wurde mal am Zaun des Nachbars geschaut, was dort los ist – da dort auch nichts los war, ging man wieder zur Raufe – stehen und fressen … Im Dezember haben wir zunächst den Auslauf der Pferde von ca. 7 Stunden tagsüber auf 12 Stunden ausgedehnt. Der morgendliche frühere Auslauf wurde von den Pferden direkt gut angenommen – denn draußen gab es das Frühstück, und das Heu nachts in den Boxen war schon lange weggefressen. Das abendliche Herauszögern der Zeit draußen war allerdings nicht für alle Pferde unproblematisch, denn erfahrungsgemäß wartet ja in der Box das hochwertigere und beliebtere Futter: das Kraftfutter. Stellt sich also die Frage – wollen die Pferde abends in ihre Box, ihre Ruhe haben? Oder lockt das begehrte Futter?
Im Januar haben wir dann begonnen, die einzelnen Boxen nach und nach auszubauen, bis der erste große spätere Liegebereich entstanden war. Hier zogen dann zwei Stuten ein, die auch tagsüber gemeinsam auf einem Paddock standen und sich gut verstanden. Das war uns wichtig, denn noch wurde ja auch abends drinnen Heu gefüttert, und es sollte darum keine Streitereien geben.

N. Vorwerk, www.hofrabeney.de

Die darauf folgenden Monate standen ganz im Zeichen des Boxenausbaus. Durchbrüche und Zuwege zu den Paddocks wurden erstellt, die Kleingruppen nach und nach in zwei große Gruppen, Wallache und Stuten, zusammengefasst. Im Mai konnten wir dann endlich beide Gruppen als Offenstallgruppen führen – die Pferde konnten ab jetzt selber entscheiden, ob sie drinnen oder draußen bleiben wollten. In den ersten Wochen sank der Aktionismus der Pferde ganz gewaltig – hatten wir doch eine Steigerung der Bewegungsmöglichkeiten um 100 %. Hat man vorher 12 Stunden am Stück gestanden, muss man sich erst einmal an 24 Stunden Bewegung gewöhnen. Gerade bei den jungen Wallachen fiel es besonders auf. Während sie vorher draußen vermehrt spielten, blieben Raufereien und Gerangel und die damit verbundenen Blessuren doch deutlich aus. Überschwängliches Gebuckel und Getobe, was gerade nach dem Herausführen der Pferde im kalten Zustand erfolgte, blieb nun aus. Es war erst einmal viel Ruhe. Mittlerweile wird wieder gespielt – aber ganz anders als vorher. Die jungen Wallache laufen sehr viel, nutzen den Track für gesetzte Galoppaden. Es wird auch gerangelt und getobt, gestiegen und aneinander rumgekniepselt – aber, seitdem „die Herren“ 24 Stunden draußen sind, sind die Blessuren, Bissspuren und Kratzer deutlich zurückgegangen. Sie sind einfach nicht mehr so unausgelastet und übermütig. Das Spiel wird sachter – und durch den Umgang mit den älteren Wallachen, die hier gute Erziehungsarbeit leisten, immer dosierter.

Der nächste Schritt war, den Track verpflichtend zu machen, wenn man zum Heu oder zum Wasser/Unterstand wollte.

Wir haben Heu und Wasser voneinander getrennt und mittels des Tracks miteinander verbunden. Zunächst herrschte große Verwirrung bei den Pferden, denn plötzlich war der direkte Zugang zum Wasser versperrt. Die ersten beiden Wochen stand man am Zaun und schaute auf die Tränke. Mehrmals täglich sind wir mit den Pferden den Track abgegangen und haben ihnen den Weg zum Futter und Wasser gezeigt … und nach und nach ging ein Licht auf. Damit der Track noch selbstverständlicher genutzt und interessanter wird, haben wir kleine Heuportionen auf dem Track verteilt. So kamen die Pferde in die Situation, nach ihrem Futter suchen zu müssen, was von allen Tieren wunderbar angenommen wurde. Man hatte das Gefühl, die Pferde haben Spaß an ihrer Futtersuche. So wurde auch der Track immer mehr zum Lebensraum der Pferde.

Bewegung: Nach 6 Wochen Trail-Pflicht konnte man sagen, sie haben es verstanden und nutzen den Track ganz selbstverständlich. Immer wieder sieht man die Pferdegruppen den Track entlangwandern, um die natürlichen Bedürfnisse zu decken. Vom Wasser zum Heu, zur Weide, auf dem Track Futter suchen und wieder zum Heu und zum Wasser. Eine GPS-Messung, um die zurückgelegten Strecken zu messen, steht noch aus und ist mit Sicherheit sehr spannend. Der „Mädchen“-Track misst 550 Meter und der Track der „Jungs“ 350 Meter … Wenn es auch nicht viel scheint – es ist definitiv ein großes Mehr an Bewegung. Die geraden, längeren Stücke des Tracks werden liebend gern als Rennstrecke genutzt – hier hält es kaum ein Pferd im Schritt aus. Besonders die jungen Pferde traben und galoppieren sogar die gesamte Tracklänge zum Wasser und Heu.


Herdendynamik & Freundschaften: In den zwei größeren Gruppen haben sich mit der Zeit Kleingruppen mit besonderen Freundschaften gebildet. Bei den Stuten finden sich gerade die Jungtiere mit der Leitstute zusammen und legen die Wege stets gemeinsam zurück. Verpasst ein Tier den Anschluss, wird es entweder von der Gruppe abgeholt oder läuft eilig hinterher. Aber am besten ist, man passt immer gut auf, dass man dran bleibt. Da sich die Gruppen nun frei zusammensetzen können und Wahlfreundschaften möglich sind, haben wir, insbesondere bei den Stuten, ein sehr soziales und freundliches Miteinander.


Fütterung: Essentiell ist, wie in jeder Offenstall- und Gruppenhaltung auch, das ausreichend zur Verfügung stehende Futter. Herausforderung hierbei ist, die unterschiedlichen Figurtypen der Pferde in Form zu halten – die Dicken sollten nicht zu dick werden, die Schmalen nicht zu mager. Wir lösen das hier über eine ad libidum Heufütterung aus Heuraufen mit engmaschigen Heunetzen (3 cm Maschenweite) und mehreren Futterplätzen. Durch das immer zur Verfügung stehende Heu kommt es in den Gruppen nicht zu Auseinandersetzungen ums Futter. Natürlich wird immer wieder kontrolliert, ob nicht ein anderer Heuhalm besser ist als der eigene, ob die Stelle an der Raufe wirklich die tollste ist – aber es gibt keinen Streit aus Hunger. Nur so kann eine Gruppe entspannt zusammenleben. Angst zu hungern führt zu Aggressionen und Unruhe in der Herde. Jedes Pferd muss die Gelegenheit haben, zu fressen,wann es das Bedürfnis hat.


S. Wilms

Idealerweise bietet man immer eine Fressstelle mehr an, als Pferde in der Gruppe leben. Bei acht Pferden wären dies neun Fressstellen.

N. Vorwerk

Diese Futterstellen sind auf dem Track zu verteilen, um zusätzlich Bewegung in die Gruppe zu bekommen. Die Pferde wandern nun zwischen den Fressstellen hin und her, prüfen, ob in einer Raufe nicht noch besseres Futter zu finden ist. Die Pferde, die einem anderem Pferd ausweichen, suchen sich erneut eine neue Fressstelle usw. So ist rund um die Uhr Bewegung in der Herde – stressfrei und friedlich.


Track-Umfeld: Den Lebensraum für das Pferd spannender gestalten – das lässt sich gerade auf dem Track ganz wunderbar realisieren. Futter- und Wasserstellen wechseln sich ab. Hier und da liegen Baumstämme, Äste und Zweige zum Beknabbern. Salz- und Mineral-Lecksteine, Kräuter und Co. finden sich auf dem Weg. Es gibt viele tolle Gestaltungsmöglichkeiten, von unterschiedlichen Untergründen (Steine, Sand, Kies, Schotter, Asphalt usw.) bis hin zu angelegten Kräuterbeeten, über Obstbäume, Wassergräben (Löcher), Erhöhungen, Senken, Sandwälzstellen, Strohraufen usw. bis hin zu kleinen Leckereien (Apfelstücke, Möhrenscheibchen) – der Weg für die Pferde ist spannend und abwechslungsreich. Manchmal sorgt ein einfacher Pappkarton auf dem Track für Entdecker-Spaß und wird dankbar angenommen. Solange man eine Verletzungsgefahr ausschließen kann, gibt es viele tolle Möglichkeiten, den Pferden ihre Umgebung interessant zu gestalten. Als Belohnung bekommt man entspannte und zufriedene, aufgeweckte Pferde, die nervenstark und ausgeglichen sind. Hinzu kommt eine unerschütterliche Grund-Kondition, wie man sie kaum erreiten kann.


Arbeitsaufwand: Ja, es ist mehr Arbeit – oder besser, es ist eine andere Arbeit. Es muss ein Track um die Weiden gezäunt werden. Das dauert (bei einer Person mit Handlanger) je nach Länge des Tracks ein paar Tage. Der Kostenaufwand hängt vom verwendeten Material ab, ist aber mit Sicherheit überschaubar, denn es handelt sich ja „nur“ um eine Innenabzäunung, die den Anforderungen einer Außenumzäunung nicht entsprechen muss. Hier können die Pferde ja „nur“ auf die Weiden einbrechen (was man bei z.B. rehegefährdeten Pferden im Hinterkopf behalten muss). Die Wege werden länger – hierüber muss man sich bewusst sein. Möchte man Futterstellen auf den Tracks befüllen, den Track sauber halten etc., sollte man sich über entsprechendes Gerät langfristig Gedanken machen. Die zufriedenen Pferdegesichter und das Beobachten der Pferde, wie sie um die Weiden wandern, lässt allerdings jeden Mehraufwand oder weiteren Weg verblassen.


Paddock Trail -
am Beispiel der Bewohnerin "AVA"

lesen Sie hier den Erfahrungsbericht: