Bowker News:
Robert Bowker, VMD, PhD, ist Professor der Anatomie und Direktor des Equine Foot Laboratory am Michigan Stat University College für Veterinärmedizin.
Die letzten eineinhalb Jahrzehnte seiner Forschung spielte sich zum Großteil auf mikroskopisch kleiner Ebene ab und bestand in der Sezierung und dem Studium tausender von Kadaverhufen. Ohne hier im speziellen auf Details seiner Forschungen einzugehen (dies würde den Rahmen sprengen), hier eine kurze Zusammenfassung seiner drei bedeutensten Studien die sich auf den hinteren Bereich des Hufes konzentrieren:
- Die Unterschiede zwischen einem "gut" und "schlecht" entwickelten Huf
- Die "Hemodynamic flow theory" besagt, dass der Blutfluß in einem Netzwerk von winzigen Kapillaren in der Trachtenregion eine lebenswichtige Rolle für die Stoßdämpfung im Huf spielt
- Sensorische Rezeptoren im Trachtenbereich übertragen Signale an das zentrale Nervensystem und ermöglichen es dem Pferd so sich seinen Laufweg zu "erfühlen"
Dr. Bowker bemerkte, das bis dato bei Forschungen an Hufen nicht zwischen kranken und gesunden Hufen unterschieden wurde. Um vergleichbare Ergebnisse bei seinen Studien an Kadaverhufen zu bekommen änderte er dies. Obwohl seine Forschungen sich immer auf den gesamten Huf erstreckten, lief es dennoch immer wieder auf die Bedeutung des hinteren Hufbereichs (Trachten-, Ballenbereich) hinaus.
Bei Pferden mit guten Hufen hat sich das Strahlpolster komplett in sehr kräftiges faseriges Knorpelgewebe umgewandelt. Pferde werden jedoch nicht so geboren. Bei der Geburt sind bei einem Fohlen alle vier Hufe in ihrem Aufbau identisch und das Strahlkissen besteht überwiegend aus Fettgewebe.
- Zur Hufentwicklung sind die ersten Lebensjahre überaus wichtig, denn nur durch Bewegung kann sich das Strahlkissen angemessen entwickeln. Die permanente Strahlstimulierung während der Bewegung veranlasst den Organismus zur Bildung von Kollagengewebe durchzogen mit elastischen Fasern und Knorpelsträngen im Strahlkissen, das sich von der Strahlspitze nach hinten, Richtung Trachten ausbreitet. Mit erreichen des Erwachsengewichts des Pferdes sollte dieser Prozess abgeschlossen und das Strahlkissen stabil genug sein, damit die Nerven genügend geschützt sind, um den Anforderungen eines Erwachsenenpferdes standzuhalten. Ist dieses fasrig, knorpeliges Gewege einmal entwickelt, scheint es beständig zu sein. Zusätzlich hat ein guter Huf dicke Hufknorpel (3-4 mal dicker als bei schlecht entwickelten Hufen) und ein dicht entwickeltes Gefäßsystem, dass erheblich zur Stoßdämpfung im Huf mit beiträgt. Ein guter Huf hat eine "tatzenartige" Form, die eine otimale Belastung des Strahl- Ballenbereichs fördert.
- Eine schlechte Hufform hat nichts, wie oftmals behauptet wird, mit der Genetik des Pferdes zu tun. Die Ursachen hierfür sind vielmehr in der mangelnden Bewegung, in der falschen oder vernachläßigten Hufpflege während der Aufzucht oder generell im Hufbeschlag begründet.
- Die inneren Strukturen lassen sich in jedem Alter verbessern. Möglich ist dies aber nur am Barhuf. Beschlag wirkt kontraproduktiv!
Unter peripherer Belastung versteht man, wenn die Hufwand ("Tragerand!") die Hauptlast zu tragen hat. Sie existiert immer am beschlagenen Huf, denn hier konzentriert sich die Lastaufnahme fast alleinig auf die Hufwand. Periphere Belastung hängt auch von der Beschaffenheit des Untergrundes ab. Harter, ebener Boden (z.B. Beton, Rassengittersteine usw.) erhöht die Randbelastung, weicher, leicht nachgebender Untergrund vermindert sie. Falsches Bearbeiten von Hufen verhindert u.U. das die Last anteilsmäßig von allen Hufstrukturen übernommen wird, was ebenfalls die Tendenz zur peripheren Belastung verstärkt.
- Die Blutzirkulation im Pferdehuf wird auf entscheidende Weise durch die periphere Belastungs beeinflußt. Um die Blutflußgeschwindigkeit und somit Blutdurchdringung im Pferdehuf zu messen, benutzte Dr. Bowker ein Dopplar Ultraschallgerät. Er konstatierte, dass harte Oberflächen den Blutfluß im Pferdehuf beschleunigen und weichere Oberflächen in verlangsamen.
Bei beschlagenen Pferden oder bei Pferden, die auf hartem, ebenem Boden standen registrierte er, dass eine wesentlich geringere Blutmenge den Huf erreichte, weil der Blutfluss abwärts der großen Arterien in einer Art „U-förmigen“ Umkehrung in Höhe des Fesselgelenks via der großen Venen wieder nach oben strömt. Außerdem ist die Fließgeschwindigkeit des Blutes im Gefäßsystem des Hufes erhöht. Es durchströmt mehr die großen und versorgt weniger die so wichtigen kleinen Gefäße (Alveolen und Venolen) der verschiedenen Lederhautbereiche. Vergleichbar einem heftigen Regen der auf harter, trockenen Oberfläche schnell dahinströmt und abfließt. Während ein sanfter, milder Schauer langsam in die Tiefe versickert. Dr. Bowker bemerkte, der Widerstand im Huf ist zu groß, so das die kleinen Gefäße in nicht ausreichendem Maße durchblutet werden und in Folge die Stoffwechselvorgänge im Huf in nicht optimaler Weise erfolgen können. Der Huf degeneniert!
Das Strahlkissen ist ein sehr wichtiges Nervenzentrum am Huf. Die meisten der reizempfangenden Sensoren des Hufes liegen im Innern des Strahlkissens und erlauben so dem Pferd das Gelände unter sich zu spüren und zu fühlen. Diese sensorische Leistungsfähigkeit des Hufes drängt sich uns dann auf, wenn das Pferd fühlig läuft, es einen Hufabszeß hat, oder irgendwie lahm geht.
- Nur die Unterseite des Hufes mit direktem Kontakt zum Untergrund ermöglicht dem Pferd das "Lesen" der Bodenoberfläche (z.B. Neigung, Beschaffenheit, Unebenheiten usw.) in der Fortbewegung. Die Übertragung der Informationen - Wahrnehmung und Reaktion - muß in den schnelleren Gangarten innerhalb von Millisekunden erfolgen.
Sogar der einfachste Beschlag hebt die Unterseite des Hufes vom Boden ab und reduziert folglich wesentlich den Kontakt des Hufs mit dem Untergrund. Die Verformbarkeit der Kapsel wird eingeschränkt, was wiederumn die Informationen an das Zentrale Nervensystem beeinflußt. Es ist offensichtlich, dass Hufbeschlag die Art und Menge an Informationen, die vom ZNS empfangen werden wesentlich verändert und damit die Fähigkeit des Pferdes manipuliert, seine Umgebung angemessen wahrzunehmen und hierauf zu reagieren.